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Spontankundgebung vor der CDU-Zentrale in Wattenscheid: Wir bauen die Brandmauer wieder auf

Gestern Abend hat die CDU die Brandmauer im Bundestag eingerissen: Friedrich Merz hat einen Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt, von dem er wusste, dass dieser ohne die Stimmen der AfD keine Mehrheit hat. Und genau das ist passiert: CDU und FDP haben gemeinsam mit der neonazistischen AfD eine Mehrheit gebildet. In aller Deutlichkeit: Wir halten das für eine massive Gefahr für unsere Demokratie – wissentlich in Kauf genommen, von einem Mann, der von sich glaubt, er hätte das Zeug dazu, Bundeskanzler zu sein.

Die CDU bei uns vor Ort in Bochum und Wattenscheid wollte im letzten Jahr eine Brandmauer auf dem Rathausplatz bauen. Diese Aktion haben wir damals unterstützt. Doch auch von der Union hier hört man zum Dammbruch gestern: nichts. Das lässt mich auch an der Glaubwürdigkeit der Konservativen bei uns zweifeln. Deswegen haben wir – die SPD Wattenscheid und die Jusos Bochum – gemeinsam mit den Grünen in Bochum und Wattenscheid für heute Abend zu einer Kundgebung aufgerufen. Mit über 100 Menschen haben wir uns vor der Bochumer CDU-Zentrale in Wattenscheid getroffen, Kisten gestapelt und so die Brandmauer zumindest symbolisch wieder aufgebaut.

Unser Vorsitzender und Ratskandidat Jan Bühlbecker durfte für die SPD Wattenscheid aus diesem Anlass eine Rede halten. Darin hat er deutlich gemacht, warum diese Aktion so wichtig war und was jetzt, kommunal und bundesweit, zu tun ist. Hier dokumentieren wir die Rede zum nachlesen:

Liebe Nachbar*innen,

es tut gut, heute Abend so viele von Euch hier zu sehen, auch wenn ich mir natürlich wünschen würde, dass es den Anlass, der unsere heutige Kundgebung nötig macht, überhaupt nicht geben würde. Doch was gestern am späten Nachmittag im Deutschen Bundestag passiert ist, das darf nicht unbeantwortet bleiben! Deswegen überbringe ich heute gerne die Grüße der SPD in Wattenscheid.

CDU-Chef Friedrich Merz kann noch so oft behaupten, dass es keine Zusammenarbeit zwischen Union und AfD geben würde – Fakt ist: Wer Anträge stellt, von denen er weiß, dass er ohne die Neonazis für sie keine Mehrheit bekommt, der arbeitet eben doch mit ihnen zusammen.

Und ich sage euch etwas: Friedrich Merz weiß das auch. Deswegen hat er doch selbst noch vor Weihnachten gesagt, dass bis zu den Neuwahlen am 23.2. keine Anträge zur Abstimmung gestellt werden sollten, auf die sich nicht SPD, CDU und Grüne miteinander geeinigt haben. Damit es eben keine – und ich zitiere Merz – Mehrheiten „mit der AfD gibt“.

Das Fazit ist darum eindeutig: Friedrich Merz hat gestern Wort gebrochen. Und noch schlimmer: Er hat sich und seine Politik vom Wohlwollen der Faschist*innen abhängig gemacht. Die CDU verkommt so von einer konservativen Volkspartei zur Steigbügelhalterin der AfD. Die ohne ihn weiter verloren am rechten Rand rumkrakelen würde, aber durch sein unwürdiges Anbiedern – nicht erst seit gestern – weiter an Einfluss gewinnt. Das, liebe Nachbar*innen, ist eine Schande!

Vor allem aber ist es eine echte Gefahr für unsere Demokratie.

Liebe Nachbar*innen,

aber es ist aber nicht nur die Art und Weise, wie die Mehrheit zustande gekommen ist, die fassungslos macht, es sind auch die Inhalte der Anträge selbst, die einen Dammbruch darstellen: Friedrich Merz will zum Beispiel deutschen Staatsbürger*innen mit Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft wieder aberkennen können, wenn sie – und ich zitiere seinen Antrag – „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ handeln. Die FDGO aber ist kein juristischer, sondern ein politischer Begriff. Das bedeutet: Friedrich Merz will Deutschen aus politischen Gründen die deutsche Staatsbürgerschaft wegnehmen können. Dass aber genau das nicht geht, ist eine historische Lehre aus der Unrechtsherrschaft der Nazi-Faschist*innen. Es macht mich fassungslos, dass die CDU gestern Morgen im Bundestag der Befreiung Auschwitz‘ gedacht und gestern Abend am selben Ort unsere historische Verantwortung mit Füßen getreten hat.

Friedrich Merz sagte gestern, dass er glaubt, mit seinem unsäglichen Rechtsruck die AfD zu schwächen. Lächerlich! Jede inhaltliche Annährung an die AfD stärkt die Faschist*innen nur. Ende 2015 forderte Beatrix von Storch konsequente Zurückweisungen an der deutschen Grenze, notfalls, postete sie bei Facebook, müsste man auch „auf Frauen und Kinder schießen“. Der Aufschrei damals war – zurecht! – riesig. Doch das konsequente Zurückweisen an der deutschen Grenze steht nun auch im mit der AfD beschlossenen Antragstext der CDU im Bundestag. Wenn das keine offensichtliche Annäherung von CDU und AfD ist, was denn dann, liebe Nachbar*innen?

Und Studien zeigen: Wenn demokratische Parteien – wie hier geschehen – Positionen der Neonazis übernehmen, stärkt das nur die AfD. Weil es die Brandmauer löcherig macht, wenn sie sehen, wie die CDU so AfD-Politik legitimiert. Die Brandmauer ist also nicht erst gestern gefallen, liebe Nachbar*innen, aber dass Friedrich Merz und seine CDU sie eingerissen haben, wurde gestern für jeden offensichtlich.

Die Gefahr, dass nach der ersten Zusammenarbeit weitere folgt, ist riesig. Gestern Abend stimmten CDU und FDP im Haushaltsausschuss erneut mit der AfD. Wer soll Friedrich Merz da noch glauben, dass er wirklich niemals mit der AfD regiert?

Auch in Wattenscheid haben wir erlebt, wie real das Einreißen der Brandmauer schnell wird – ohne die Stimme eines Mannes, der für die AfD in die Bezirksvertretung gewählt wurde, wäre Marc Westerhoff heute nicht Bezirksbürgermeister. Ob er aus seinem Dammbruch gelernt hat? Wir werden es ihn morgen bei unser gemeinsamen Kundgebung für ein buntes, weltoffenes und demokratisches Wattenscheid fragen.

Liebe Nachbar*innen,

wir Wattenscheider*innen wissen, wie es Bundeskanzler Olaf Scholz formuliert hat, dass es „Heimat auch im Plural“ gibt. Und wir leben hier jeden Tag, dass es eben keine Deutsche erste und zweiter Klasse, sondern nur Mitbürger*innen und Nachbar*innen gibt.

In Wattenscheid wird darum Vielfalt gelebt. Jeden Tag. Und sie macht uns stark. Und die AfD bei uns übrigens so schwach wie nirgendwo sonst im nördlichen Ruhrgebiet.

Deswegen stehen wir heute nicht nur wütend oder besorgt hier, sondern auch zuversichtlich. Weil wir alle schon erlebt haben, wie viel man gemeinsam bewegen kann. Jetzt aber ist der Moment, in dem es wirklich auf uns alle ankommt: Lassen Sie uns unsere Demokratie nicht nur gemeinsam verteidigen, sondern lassen Sie uns auch eine solidarische Gesellschaft weiter jeden Tag #ZusammenGestalten. Stellen wir Respekt und Solidarität an die Stelle von Rechtsruck und Ausgrenzung.

Willy Brandt hat gesagt: „Demokratie muss gelebt werden oder es gibt sie nicht.“ Ich finde, das ist für uns alle eine wunderbare und ehrenvolle Verpflichtung!

Herzlichen Dank.

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